Archiv für Mai 2009

Bundestagsrede von Marco Bülow anlässlich des 1. Mai 2009 in Dortmund

Mittwoch, 13. Mai 2009

Rede des Dortmunder SPD-Bundestagsabgeordneten Marco Bülow am 7. Mai 2009 zur Aktuellen Stunde auf Verlangen CDU/CSU, SPD. Gemeinsam gegen Gewalt – Ächtung der Ausschreitungen und schweren Gewaltstraftaten am 1.Mai

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Die Gewalteskalation in Berlin wird von uns natürlich abgelehnt und muss entschieden bekämpft werden.

Das gilt aber auch für die Gewalteskalation, die es in anderen Städten gegeben hat. Dazu habe ich von Ihnen bisher wenig gehört.

Leider glauben wohl immer noch zu viele, Faschismus und rechtsextreme Gewalt, das sei eine Randerscheinung, ein Problem, das es vielleicht da und dort in einigen Regionen gebe, das sehr begrenzt und zu vernachlässigen sei.

Dazu kann ich nur sagen: Machen Sie die Augen auf, und richten Sie Ihren Blick nicht nur auf Berlin so wichtig das für uns auch ist, sondern zum Beispiel auch auf meine Heimatstadt Dortmund! Dort gab es eine friedliche Maidemonstration, so wie sie jedes Jahr stattfindet und an der wir Sozialdemokraten uns immer beteiligen. Wir standen dort sehr friedlich und waren abmarschbereit, als mehrere Hundert Rechtsextremisten mit Holzlatten einströmten und auf uns, auf unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger dazwischen standen auch kleine Kinder hilflos herum einprügelten. Die leider nur sehr wenigen und schlecht ausgerüsteten Polizisten waren überfordert, haben aber alles versucht, um die Menschen zu schützen. An dieser Stelle vielen Dank noch einmal an die Polizei, die sich dazwischengeworfen hat und danach auch Verletzte zu beklagen hatte! Auch von unserer Seite gute Besserung für alle, die dort verletzt worden sind, seien es Polizisten oder Bürgerinnen und Bürger!

Herr Löning, Sie haben gerade auf den Innensenator von Berlin verwiesen. Wenn das in Berlin so ist, dann stelle ich die Frage, ob die Eskalation der Gewalt in Dortmund nicht der FDP-Innenminister von Nordrhein-Westfalen zu verantworten hat. Ich würde nicht so weit gehen, das zu bejahen; man muss differenzieren. Aber es stellt sich natürlich schon folgende Frage: Nachdem in Hannover die Demonstration der Rechten abgesagt worden war, haben die Gewerkschaften darauf hingewiesen, dass in Dortmund etwas passieren kann. Warum standen dann dort nur einzelne unbewaffnete Polizisten, die den Demonstrationszug nicht schützen konnten? Warum waren wir so hilflos, und warum konnte die rechte Gewalt dort so eskalieren? Diese Fragen sollten erlaubt sein. Man muss im Zusammenhang mit dem, was in Dortmund passiert ist, vor allem auf die Auswüchse im Internet zurückkommen. Auf den Seiten der Rechten wurde die Eskalation nicht nur begrüßt, sondern als Vorbild für nächste Aktionen dargestellt. Dort werden sogar offene Drohungen gegen Gewerkschaftsfunktionäre ausgesprochen. Dort steht beispielsweise: Schlagt die Gewerkschaftsbonzen, wo ihr sie trefft! Hier frage ich allen Ernstes: Können wir als wehrhafte Demokratie dies zulassen, und was müssen wir unternehmen, um dies zu unterbinden? Ich würde mich natürlich freuen, wenn auch die bürgerlichen Parteien dieses Thema auf ihre Tagesordnung setzten.

Die Aussagen, die ich gerade genannt habe, stellen eine neue  Dimension der rechten Gewalt dar. Hier gibt es einen organisierten Hass gerade gegenüber Gewerkschaftern. Gestern waren es die Migrantinnen und Migranten, die Obdachlosen und andere, heute sind es Gewerkschafter und Polizisten, morgen sind es dann vielleicht Politiker, Unternehmer und engagierte Bürger. Was muss noch passieren, damit wir die Augen öffnen und uns diesen extremen Rechten entgegenstellen?

Es wurde gerade zu Recht angemahnt, dass es keine Demonstrationen gegen linke Gewalt und linke Eskalation gebe. Es gibt Gott sei Dank genügend Demonstrationen gegen Rassismus und Extremismus. Bei denen sehe ich aber die bürgerlichen Parteien nicht. Bei uns in Dortmund sehe ich keine Abgeordneten der CDU und der FDP; auch heute sehe ich sie in der Debatte nicht. Auch dort sollten Sie sich sehr stark engagieren.

Wir müssen uns diesen Kräften mit allem, was wir haben, entgegenstellen. Wir müssen den Gewerkschaftern, den engagierten Kirchenvertretern sowie den engagierten Verbänden und Vereinen zeigen, dass sie in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus nicht allein sind, sondern dass wir an ihrer Seite stehen. Natürlich müssen wir die Frage eines NPD-Verbots auf die Tagesordnung setzen und auch die Kampftruppen verbieten, die die NPD unterstützen. Wir haben jetzt gute Grundlagen auch für die Polizeipräsidenten in den Regionen als Beispiel nenne ich noch einmal Dortmund, dass Demonstrationen der Rechten, wie sie beispielsweise für den 5. September wieder angemeldet sind, verboten werden. Für viel wichtiger halte ich es noch, dass alle demokratischen Kräfte gemeinsam am 5. September überall, wo Demonstrationen angemeldet worden sind, selber die Plätze besetzen und für Toleranz und gegen Rassismus demonstrieren.

Es geht aber nicht nur um die Kampftruppen, sondern auch um die geistigen Brandstifter, also um diejenigen, die Rechtsextremismus in die Köpfe der Menschen bringen wollen. Wir müssen dazu beitragen, dass sich der Rechtsextremismus nicht in den Köpfen der Menschen verhakt. Andernfalls bekämen wir viele Probleme in unserem Land, mit denen wir uns auseinandersetzen müssten. Gemeinsam sollten wir uns dagegen zur Wehr setzen.
Vielen Dank.

Landtagsrede von Gerda Kieninger anlässlich des 1. Mai 2009 in Dortmund

Dienstag, 12. Mai 2009

Gerda Kieninger (SPD) hielt am 06.05.2009 im Nordrhein-Westfälischen Landtag eine Rede anlässlich der Ereignisse am ersten Mai 2009 am Rande einer DGB-Veranstaltung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als Dortmunder Abgeordnete, die auch vor Ort war, glaube ich, die Situation noch einmal beleuchten zu müssen.

In einem Lied der Arbeiterbewegung heißt es:

Der 1. Mai ist unser Feiertag.
Er ist der Schulzen und der Meier Tag,
weil wir an diesem Tag marschieren
und unsere Einheit demonstrieren.

So sollte es auch am 1. Mai in Dortmund sein. Denn Dortmund ist eine weltoffene, tolerante Stadt, die dies mit ihren Verantwortlichen und ihren Bürgerinnen und Bürgern lebt.

Herr Orth, Sie sollten nicht einfach Äpfel mit Birnen verwechseln. Wenn Sie meinen, das sei Kommunalpolitik, dann sind Sie auf dem falschen Dampfer.

(Beifall von der SPD)

Sie haben zwar nicht zum Thema geredet, den Sinn wahrscheinlich aber auch nicht verstanden.

Der vom Oberbürgermeister ins Leben gerufene Aktionsplan für Vielfalt, Toleranz und Demokratie wird jährlich mit 100.000 € ausgestattet und dokumentiert, wie wichtig uns in der Stadt Dortmund ein friedliches Miteinander ist.

Diese Maikundgebung mit mehreren tausend Teilnehmenden – Männern, Frauen und Kindern, Jung und Alt –, die friedlich für Arbeitnehmerrechte demonstrieren wollten, wurde aber von über 300 Neonazis brutal angegriffen. Das ist eine weitere Eskalationsstufe in der Entwicklung der Neonaziszene in Nordrhein-Westfalen.

Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten waren völlig unvorbereitet. Ohne jegliche Schutzkleidung haben sie sich mutig und entschlossen diesem brutal angreifenden braunen Mob entgegengestellt. Dafür gebührt ihnen unser aller Dank.

(Beifall von der SPD)

An die verletzten Beamtinnen und Beamten gehen von hier aus unsere besten Genesungswünsche.

Es stellt sich aber die Frage: Wie konnte das passieren? – Es gab kein Konzept, Herr Engel, für das Sie sich brav bedankt haben. Das war doch der Punkt. Eine Woche vor der Demonstration hatte der DGB-Vorsitzende beim Kooperationsgespräch mit der Polizei die Frage gestellt, ob dem Staatsschutz Hinweise auf mögliche Störungen der DGB-Demonstration vorlägen. Es lagen keine Erkenntnisse vor.

Am Donnerstagnachmittag, also am 30. April 2009, war im Internet zu lesen, dass das vom Verwaltungsgericht Lüneburg ausgesprochene Verbot der Nazidemonstration in Hannover weiterhin Bestand hat. Da der Eilantrag vom Oberverwaltungsgericht nicht angenommen wurde, erging vonseiten der Rechten ein offener Aufruf, mit kreativen Aktivitäten bei den DGB-Demonstrationen tätig zu werden.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Herr Orth, wo waren Sie denn?)

Am späten Donnerstagnachmittag informierte der DGB-Vorsitzende die Polizei über diesen Tatbestand. Der Polizei war bekannt, dass der eigentlich für Hannover geplante Aufmarsch der Nazis jetzt in Siegen stattfinden sollte. Daher befand sich die in Dortmund stationierte Einsatzhundertschaft auch auf dem Weg nach Siegen. Infolgedessen war die Polizeipräsenz am Dortmunder Hauptbahnhof mit seiner Funktion als Verkehrsknotenpunkt nicht ausreichend. Jeder Sonderzug zu einem Fußballspiel wird intensiver begleitet.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Richtig!)

Nur so konnte es dazu kommen, dass sich am Morgen des 1. Mai eine Horde schwarz bekleideter Nazis am Dortmunder Hauptbahnhof sammeln konnte. Nach Aussage der Einsatzleitung der Polizei sollten diese nach Siegen zu einer Demonstration weitergeleitet werden. Das geschah aber nicht. Die Meute stürzte aus dem Dortmunder Hauptbahnhof in Richtung des Platzes der alten Synagoge, dem Treffpunkt der DGB-Maidemonstration.

Um 11:50 Uhr wurde dem DGB-Vorsitzenden vom Einsatzleiter der Polizei mitgeteilt, dass die Nazis im Sturmschritt auf die Demonstration des DGB zuliefen. Der Vorsitzende des DGB setzte daraufhin sofort den Demonstrationszug in Gang, um einen Puffer zwischen den friedlichen Demonstranten und dem tobenden braunen Mob zu schaffen. Für diese besonnene Entscheidung möchte ich mich hier im Parlament beim DGB und den Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich bedanken.

(Beifall von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Damit dürfte auch dem Letzten klar sein, wie ernst diese Bedrohung unseres Rechtsstaates ist. Dies war keine Auseinandersetzung zwischen extremistischen Gruppen, wie es gerne dargestellt wird. Hier sind friedliche Bürgerinnen und Bürger ohne Vorwarnung und ohne Grund von randalierenden Nazihorden brutal angegriffen worden.

(Beifall von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Es hat keine Provokation oder Dergleichen stattgefunden. Die Nazis haben zum wiederholten Male ihr wahres Gesicht gezeigt. Diese Menschen haben weder Respekt vor dem Gesetz noch vor Menschenleben.

Diese braune Brut hat bereits für den 5. September 2009 einen Aufmarsch in Dortmund geplant. Ich kann die Aussage des Polizeipräsidenten, vor dem Hintergrund dieser Vorgänge eine neue Bewertung vorzunehmen, nur unterstützen. Unter dem Eindruck des 1. Mai ist es nicht verantwortbar, eine derart große Zahl militanter Faschisten durch Dortmund marschieren zu lassen.

(Beifall von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Vizepräsident Edgar Moron: Frau Kollegin.

Gerda Kieninger (SPD): Ich komme zum Schluss. – Die Personen, die am 5. September 2009 zu erwarten sind, werden mit denen von letzter Woche fast identisch sein. Sie wollen das Demonstrationsrecht des Grundgesetzes in Anspruch nehmen, treten es aber gleichzeitig mit Füßen und verhöhnen die Demokratie sowie das Grundgesetz.

Enden möchte ich mit einem Zitat aus einem Lied der Arbeiterbewegung mit dem Titel „Gute Tradition“. Darin heißt es:

Nazis raus aus unserer Stadt,
weil es hier keinen Platz für Faschisten hat, …

(Beifall von SPD, GRÜNEN und Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Kollegin Kieninger.